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Problematisches Trinkverhalten: Alkohol bei Jugendlichen

Problematisches Trinkverhalten: Alkohol bei Jugendlichen Foto: © mma23 - Fotolia.com Problematisches Trinkverhalten: Alkohol bei Jugendlichen

Alkohol macht locker, gehört oft „einfach dazu“. Auch Eltern haben schon einmal „einen über den Durst getrunken“. Aber wann wird das Trinkverhalten der Jugendlichen problematisch? Und wie sollten Eltern darauf reagieren?

Der erste Schluck

Konfirmation. Der 50ste Geburtstag des Vaters. Oder eine andere Familienfeier. Oft ist das der erste Anlass, an dem Jugendliche Alkohol probieren, meist im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren. Die ersten Erfahrungen mit Alkohol haben die Jugendlichen jedoch schon viel früher gemacht: Sie haben im Alltag der Familie mitbekommen, zu welchen Anlässen die Eltern Alkohol trinken.

Bei der Fußballweltmeisterschaft gehört ein Bier bei Papa dazu. Und eins ist immer mindestens noch eins mehr. Wenn Mamas Freundinnen kommen, wird eine Flasche Prosecco geköpft und fröhliches Gekicher dringt aus der Küche. Abends ein „gutes Glas Wein“ zum guten Essen – selbstverständlich wissen die Jugendlichen, wie das Trinkverhalten in der Familie aussieht, auch wenn sie selbst noch bei Saft und Cola bleiben. Aber sie erfahren durch dieses direkte Vorbild, dass die Eltern durch Alkohol lockerer werden, dass die Gespräche lauter werden, die Stimmung fröhlicher, dass die Musik ein paar Grad stärker aufgedreht wird.

Vielleicht bekommen sie auch mit, dass Onkel Alfons komische Geräusche auf der Toilette macht. Oder dass Papa am nächsten Morgen ziemlich käsig aussieht. Und dass Mama lieber die Decke über den Kopf zieht und noch eine Stunde liegen bleibt. Sie wissen also schon einiges über die positiven und negativen Wirkungen von Alkohol bei ihren Eltern, bevor sie den ersten Schluck selbst trinken.

Weitere Informationen

Wer darf was trinken?
Jugendliche zwischen 14 und 15 Jahren dürfen Bier, Wein oder Sekt trinken, wenn sie in Begleitung ihrer Eltern oder ihres Vormundes sind, also einer „personensorgeberechtigten Person“. 16- und 17-Jährige dürfen diese Getränke auch unbegleitet konsumieren. Härteres, wie z.B. Schnaps oder Weinbrände, sowie sogenannte „Alkopops“ sind erst für Volljährige ab 18 Jahren erlaubt.

Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit:
www.bleib-klar.de/fachthemen/jugendschutz_gesetz.htm

Kenn Dein Limit – Aktion zur Aufklärung über Gefahren des Alkohols für Jugendliche und Eltern:
www.kenn-dein-limit.de/alkohol/kinder-jugendliche-und-alkohol-die-rolle-der-eltern/

Anlaufstellen
In jeder Region oder Stadt finden sich Anlauf- und Beratungsstellen für Suchtgefahren. Auskunft erteilen die Jugendämter, auch anonym.

Beratungsstellenfinder:
www.kenn-dein-limit.de/alkohol-beratung/beratungsstellen/

Über die Stränge schlagen

Diese Aura von Enthemmtheit und Angst umweht Drogen ganz allgemein. Da Alkohol hierzulande die am häufigsten konsumierte und vor allem legale Droge ist, trifft das auf den Geist aus der Flasche in besonderem Maße zu. Daher ist es gut, wenn Jugendliche ihre ersten Erfahrungen mit Alkohol in einer Situation machen, in der die Eltern anwesend sind. Die kennen ihr Kind, wissen, wann es genug ist und es besser ins Bett gehen sollte. Und ihnen gegenüber verliert es auch nicht das Gesicht, wenn ihm schlecht wird oder es nicht mehr weiter trinken will.

Bald wird der Sohn oder die Tochter aber auch mit Freunden unterwegs sein. Blödsinn anstellen, laut in der Fußgängerzone herumgrölen, Party machen. Und das mit der Bierflasche in der Hand. Eben das, was gemeinhin unter „jugendtypisches Verhalten“ verstanden wird. Denn den Umgang mit Alkohol müssen die Jugendlichen erst erlernen, selbst ihre Grenzen austesten und den Stellenwert der Droge in ihrer Peer-Gruppe kennenlernen.

Warum Jugendliche Alkohol trinken

So weit alles normal. Überhaupt scheinen Jugendliche über die Gefahren des Alkohols gut aufgeklärt zu sein: Weniger als 15 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen geben nach Auskunft der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung an, mindestens einmal pro Woche Alkohol zu trinken. Wichtig dabei sind die Freunde: Wenn die Flasche kreist, können insbesondere die Jungen kaum widerstehen. Über 35 Prozent geben an, in ihrem Freundeskreis werde regelmäßig Alkohol konsumiert.

Allerdings saufen sie sich nicht die Sorgen weg und auch nicht die Welt schön. Aber ein bisschen lockerer sein, wollen sie schon, bei der Kontaktaufnahme nicht mehr so gehemmt. Über 55 Prozent meinen, mit Alkohol seien sie lustiger und lockerer, fast genauso viele sagen, es falle ihnen so leichter, auf andere zuzugehen, gut die Hälfte fühlt sich dann „nicht mehr so schüchtern“.

Wann es problematisch wird

Wenn der Sohn einmal mit einer Fahne nach Hause kommt, ist das für einen 17-Jährigen sicher unproblematisch. Kommt das jedoch mehrmals in der Woche vor, ändern sich seine Verhaltensweisen, wird er rüpelhafter, unkonzentrierter, entzieht sich Gesprächen, fehlt er in der Schule, lassen die Leistungen nach – dann ist es höchste Zeit, aktiv zu werden.

Denn meist wird eben im Freundeskreis getrunken. Dort wird das Verhalten jedoch nicht hinterfragt, eher versucht man, sich zu übertrumpfen und steigert die konsumierte Menge noch. Bis der Alkohol eben ganz selbstverständlich dazu gehört, sogar täglich. Jugendliche neigen jedoch dazu, den Grad ihrer eigenen Trunkenheit zu unterschätzen. (Wir doch auch, liebe Eltern, oder weißt du genau, wie gut deine Reaktionsfähigkeit nach einem Glas Bier oder Wein noch ist?) Sie halten mehrere Vollräusche daher für normal. Sind sie aber nicht, sondern schädigen Körper und Gehirn. Insbesondere, wenn die Jugendlichen nicht mehr wissen, was sie getan haben oder wo sie waren, wenn sie mehrfach „Filmrisse“ oder „Blackouts“ haben, ist die Schwelle des Normalen und Ungefährlichen überschritten.

Was Eltern tun können

Eltern sollten auf alle Fälle mit ihrem Kind in Kontakt bleiben. Und das heißt nicht nur reden. Das Kind will sich weiterhin Zuhause fühlen. Also sollten die Eltern Interesse zeigen für alles, was es unternimmt, denkt und fühlt – ohne inquisitorisches Ausfragen, versteht sich. Dadurch lernt man dann vielleicht sogar die Namen einiger Freunde aus der Clique und Orte kennen, an denen sie sich treffen. Das sind immer Anknüpfungspunkte für Gespräche.

Außerdem ist es wichtig, dass Eltern ehrlich sind. Denn wenn sie es nicht sind, merken es Jugendliche sofort. Das heißt, den eigenen Alkoholkonsum kennen und reflektieren. Denn nur so lassen sich wirklich Antworten geben auf die Frage, was gut tut und was zu viel ist. Insbesondere mit Jugendlichen unter 16 Jahren sollten Regeln vereinbart werden, was, wann und wie viel zu Hause getrunken werden darf. Daran müssen sich natürlich auch die Eltern halten, sonst ist das schnell vergessen.

Wer meint, dass sein Kind Probleme mit dem Alkohol hat, tut gut daran, den Rat von Fachleuten zu suchen. Suchtberatungsstellen vor Ort haben viel Erfahrung – nicht nur mit den Kindern, sondern auch mit den Eltern. Denn wichtig ist es, die Jugendlichen nicht als Symptomträger zu sehen und abzustempeln, sondern mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Und wer ein gutes Zuhause hat, kommt auch nach einer Party gern dorthin zurück.

Letzte Änderung amSonntag, 21 September 2014 11:46
Ralf Ruhl

Ralf Ruhl arbeitet als selbstständiger Journalist und Redakteur. Er lebt mit seiner Familie in Göttingen. Seine Kinder haben die Pubertät hinter sich. Und er auch. Glaubt er...

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